
© Foto: Ilke, 2015
Früher oder später muss sich (fast) jeder dem Arbeitsmarkt und den Besonderheiten der Arbeitsplatzsuche stellen. Dabei wird klar, dass diese ganz eigenen Regeln folgt. Mehr noch, es wird die Beherrschung einer ganzen Sprache vorausgesetzt: das Bewerbisch. Der satirische Ratgeber Würden Sie für mich aus dem Fenster springen? ist dabei eine große Hilfe. Dem geneigten Leser soll damit die hohe Kunst des Bewerbischen näher gebracht werden.
In zehn Kapiteln erzählt uns die Autorin Françoise Hauser alles Wichtige über diese komplexe Sprache. Sie beginnt mit der Entwicklung und dem Verständnis des Bewerbischen, geht über in die Übersetzung von Stellenanzeigen ins Klardeutsche, und zum Verfassen von eigenen Texten – dem Bewerbungsschreiben. Hat der Leser die Grundlagen verstanden, geht es weiter in den Fortgeschrittenen- und bald danach in den Expertenmodus. Dort werden Telefoninterview, Vorstellungsgespräch und Assessmentcenter angesprochen. Natürlich lernt man auch mit Rückschlägen, der Absage, umzugehen.
Das Schöne an dem Buch sind die vielen Beispiele, die die Autorin anbringt und welche sie oftmals aus eigener Erfahrung kennt. Seien es tatsächlich veröffentlichte Stellenanzeigen oder selbst erlebte Vorstellungsgespräche. Das Tückische am Bewerbischen ist, dass es unserer alltäglichen Sprache, dem sogenannten Klardeutsch, sehr ähnlich ist. Doch die Bedeutung ist mitunter eine ganz andere. So bedeutet das Wort innovativ für den naiven, Klardeutsch sprechenden Bewerber Neuerungen, für den normalen Bewerber „habe davon keine Ahnung, aber das krieg ich schon hin“ und für den Personaler „lässt sich klaglos alle Verschlimmbesserungen vorsetzen“.
Beim Lesen musste oft laut auflachen; etliches, was angesprochen wird, kenne ich aus eigener Erfahrung. Leider bleibt dadurch ein schaler Nachgeschmack – vieles wird übertrieben, ist aber dennoch wahr. Ob die vielen Rechtschreibfehler als satirisch stilistisches Mittel zu sehen oder der Schusseligkeit des E-Book-Erstellers geschuldet sind, kann jeder sehen, wie er mag. Vielleicht ist die Taschenbuchversion des Buches mit weniger Fehlern bestückt. Auf jeden Fall hat mir das Buch einige nachdenkliche, lustige, kopfschüttelnde und urkomische Stunden beschwert.
Vielen Dank an dieser Stelle an Martin Häberle von Lesegefahr, der mir mit seinem Podcast dieses wunderbar satirische Werk wieder ins Gedächtnis rief.
Autor: Françoise Hauser
Buchtitel: „Würden Sie für mich aus dem Fenster springen?“
Verlag: Herder
Ich habe auch an einigen Stellen Spaß gehabt und musste laut lachen. Allerdings denke ich, dass den Betroffenen längst das Lachen vergangen ist.
Das stimmt. Aber eben darum finde ich das Buch so gut; ab und zu lacht man an Stellen, bei denen einem eher zum Weinen zumute ist. Ein bisschen Galgenhumor sorgt für Abwechslung zur tristen Stellensuche. Zumindest war/ist das bei mir so.