
© Foto: Georgia, 2015
Für unseren französischen Monat fiel mir kein Buchtitel ein, den ich euch vorstellen könnte. Also hat mir Karoline ein kleines Büchlein in die Hand gedrückt, welches ich an einem Tag gelesen und in das ich mich verliebt habe. In Das Labyrinth der Wörter treffen zwei Menschen aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Dennoch entwickelt sich eine liebevolle Freundschaft zwischen den beiden. Sie auf dem Weg dahin zu begleiten und mehr über die Vergangenheit der Figuren zu erfahren, bringt dem Leser viel Freude und ist angenehm kurzweilig.
Germain ist ein großer, muskulöser Mann mittleren Alters und kann nicht behaupten der Klügste zu sein. Ihm wurden auf seinem Weg zum Erwachsenwerden viele Steine in den Weg gelegt und er ist fast ein Analphabet. Dennoch bemerkt jeder, der über seine vulgäre Ausdrucksweise hinweg sieht, dass Germain sein Herz am rechten Fleck hat. In einem Park lernt er die belesene, liebe, 95-jährige Margueritte kennen. Die beiden teilen das Hobby des Tauben Beobachtens und kommen darüber ins Gespräch. Sie finden einander schnell sympathisch und entwickeln eine vorsichtige Freundschaft. Margueritte beginnt Germain durch das Labyrinth der Wörter zu führen, in dem er sich so gern verläuft. Wörter sind kompliziert: Man kann einen Sachverhalt mit verschiedenen Wörtern beschreiben und doch dasselbe sagen. Andererseits können ähnliche oder sogar dieselben Wörter je nach Situation vollkommen unterschiedliche Bedeutungen haben. Mit diesen Problemen hatte Germain sein Leben lang zu kämpfen und endlich hat jemand die Geduld und den Willen ihm zu helfen und zur Seite zu stehen – eine völlig neue Erfahrung für Germain. Schließlich kommt der Tag an dem Margueritte seine Hilfe braucht und Germain seinen neu gefundenen Mut zusammennehmen muss. Die Handlung ist sehr stringent und obwohl keine großartige Spannung aufgebaut wird, klebt man förmlich an jeder Seite und möchte wissen was als nächstes passiert.
Marie-Sabine Rogers Roman ist aus der Sicht von Germain geschrieben. Er berichtet in kurzen Kapiteln über die derzeitigen Ereignisse in seinem Leben und über seine Vergangenheit. Aufgrund seines eingeschränkten Vokabulars drückt er sich, vor allem wenn es um Gefühle geht, mit einfachen und zu Beginn vulgären Worten aus. Ich habe trotzdem großen Gefallen an seinen Gedankengängen gefunden. Wie er emotionale Angelegenheiten formuliert ist sehr berührend und kann einen sowohl zum Schmunzeln und Lachen bringen, als auch Tränen in die Augen treiben. Ich bin ein großer Fan von Büchern, in denen Freundschaften im Mittelpunkt stehen. Dass Germain zum ersten Mal in seinem Leben Liebe empfindet und das für diese ungewöhnliche Freundin, hat mich sehr glücklich gemacht. Für mich ist Das Labyrinth der Wörter ein absolutes Wohlfühl-Buch, das ich nicht aus der Hand legen wollte und euch daher wärmstens empfehlen kann. Der gleichnamige Film aus dem Jahr 2010 hat ebenfalls sehr gute Kritiken bekommen. Ich selbst habe ihn noch nicht gesehen und bin auch ein wenig voreingenommen, da Germain von Gérard Depardieu gespielt wird und dieser überhaupt nicht meiner Vorstellung der Hauptfigur entspricht. Vielleicht kennt einer von euch den Film und kann mir mehr berichten.
Autor: Marie-Sabine Roger
Buchtitel: Das Labyrinth der Wörter
Verlag: Hoffmann und Campe