
© Cover: Heyne, 2015
„Du schreibst dir doch ständig tolle Buchtitel und empfehlenswerte Autoren auf“, dachte ich mir. „Versuch doch mal gezielt auch welche davon zu lesen“, nahm ich mir vor. „Am besten ist es sicherlich, wenn du nicht mit den epischen Serien anfängst“, sagte ich mir altklug. Dann fand ich Der Weitseher von Robin Hobb in der Bibliothek. Nun ja, 2 von 3 würde ich sagen 🙂
Schon zu Beginn merkte ich, dass ich mich mit dieser Wahl wohl auf eine ausgiebige Lesereise begeben hatte. Denn unseren Protagonisten lernen wir schon im zarten Kindesalter kennen, als er noch nicht mal einen Namen hat, sondern einfach nur „Junge“ gerufen wird. Sein Großvater schleppt ihn zum nächsten Posten der Armee und stellt ihn als den Bastard des Kronprinzen Chivalric vor, der das Kind doch bitteschön von jetzt an selbst durchfüttern soll. So wird der Junge von nun an Fitz genannt und landet in der Obhut des Stallmeisters Burrich, der dem Prinzen treu ergeben ist. Allein durch seine Existenz löst er aber bis dahin unvorhergesehene Veränderungen im Land aus.
Fitz kommt zum Hof, wo er gut überwacht werden kann und keinen Schaden anrichtet. Erst lebt er dort gemeinsam mit Burrich in einem kleinem Zimmer über den Stallungen, bei Pferden und Hunden. Schon bald stellt sich heraus, dass es ihm möglich ist einen Bund zu Tieren einzugehen. Doch dann fällt er dem König Listenreich auf, der daraufhin ganz eigene Pläne für ihn hegt. Auf sein Geheiß beginnt nächtlicher Unterricht bei Chade, dem königlichen Assassinen, zu dessen Lehrling Fitz wird. Mit den Jahren häufen sich außerdem die Angriffe der „Roten Korsaren“ auf die Dörfer des Landes. Dabei kommen gänzlich unbekannte Kräfte zum Einsatz, die die Opfer der Übergriffe geradezu seelenlos machen. Nach und nach verliert die Bevölkerung den Glauben an König und Königshaus. Daher will Listenreich die alte Magie wieder lehren lassen, um eine schlagkräftige Waffe gegen Piraten in der Hand zu haben. Doch die Macht der königlichen Familie wankt, Zwist unter den Thronanwärtern führt zur Intrige. Als rettende Maßnahme soll eine Ehefrau für Fitz´ Onkel Veritas gefunden werden. Edel jedoch, der jüngste Sohn des Königs, will seinen Bruder schwächen und jedes Hindernis zwischen sich selbst und der Macht aus dem Weg räumen.
Zugegeben fällt es mir schwer nicht gleich jedes Detail preiszugeben oder gar mit kleinen und großen Diagrammen zu unterstreichen, wie wunderbar durchtrieben das Gerüst dieser Geschichte ist. Aufs Beste spielen die Elemente des Buches zusammen um ein lebendiges, eindringliches Bild zu erzeugen. Die Figuren und die Handlung beeinflussen sich dabei so nahtlos gegenseitig, dass sie unzertrennlich miteinander zusammenhängen. Gemeinsam mit Fitz dringt der Leser immer tiefer in das Geflecht dieser Welt ein, lernt hinter das Offensichtliche zu schauen, die Motive von Handlungen zu erfragen und die Konsequenzen vorherzusehen. Viele der Wesenszüge von Fitz entwickeln sich im Laufe des Buches mit überzeugender Schlüssigkeit zu den beständigen Grundsäulen seines Charakters. So bleiben seine Entscheidungen oder Handlungen immer nachvollziehbar, selbst wenn ich persönlich mit einigen nicht wirklich einverstanden bin. Das ist nötig, denn auch wenn Fantasy manchmal dazu neigt den Helden einer Geschichte über alles triumphieren zu lassen, ist dies hier nicht der Fall. Fitz scheitert, er zweifelt an sich und kämpft ein ums andere Mal mit Trauer und Verlust.
Die Welt um ihn kommt nie zur Ruhe, steht niemals still. Die Nebencharaktere des Buches haben durchdachte Hintergründe und treiben die Geschichte damit, auch unabhängig von Fitz, unaufhaltsam voran. Sie bewegt sich dabei keinesfalls nur an einem Ort, sondern fließt von der Burg in die Stadt, vom Meer zu den Bergen. So entwickelt sich ein stetiger Erzählstrom, der dem Roman ein sehr natürliches Tempo gibt. Die Autorin hat ihre Handlung im Griff und die Zügel stehts sorgsam in der Hand. Besonders ihre zielgerichteten Beschreibungen sind mir beim Lesen aufgefallen. Es scheint mir, Robin Hobb beschreibt gerade so viel wie nötig und doch so wenig wie möglich. Geschickt vermeidet sie mit dieser Herangehensweise nicht nur unseren Überdruss an Details, sondern auch im Allgemeinen plumpe Passagen, in denen Informationen geradezu heruntergebetet werden. Ein Hoch also auf diese Erzählkunst!
Nicht umsonst ist demnach Der Weitseher auf meiner Liste gelandet und nicht ohne Grund wird Robin Hobb zu den Größen in der Fantasy-Welt gezählt. Sie umschifft gekonnt die Fallstricke des Genres, baut ihre Welt mit Gusto auf und zeichnet ihre Figuren meisterhaft hinein. Wenn ihr jetzt noch nicht auf dem Weg seid euch das Buch zu holen, dann muss diese Serie zumindest auch auf eurem Lesezettel landen. Es lohnt sich, versprochen!
Autorin: Robin Hobb
Buchtitel: Der Weitseher
Verlag: Heyne