
© Foto: Katrin, 2016
Mehr durch Zufall stolperte ich noch vor seinem Erscheinen über das Sachbuch Dunkle Materie und Dinosaurier der Harvard-Professorin Lisa Randall. Sofort wurde ich hellhörig, denn Eine kürzeste Geschichte der Zeit von Stephen Hawking fand ich damals wirklich lesenswert. Nicht nur, dass ich hier also ein spannendes populärwissenschaftliches Buch mit schräger Prämisse zum Universum und dem ganzen Rest witterte – verfasst wurde es auch noch von einer führenden theoretischen Physikerin. Auf Anhieb war ich begeistert und bat daher den S. Fischer Verlag um ein Leseexemplar. Als ich das Buch dann in Händen hielt, brachte mich der ungewöhnliche Titel erneut zum Schmunzeln: Was haben denn Physik und Paläontologie miteinander zu tun, bitteschön?
Diesen unerwarteten Zusammenhang setzt uns die Autorin gleich in ihrer Einleitung auseinander. Der Kern ihrer Theorie lautet, die Existenz dunkler Materie in unserem Sonnensystem sei die Ursache periodisch wiederkehrender Kometeneinschläge auf der Erde und damit indirekt für das Aussterben der Dinoausaurier verantwortlich. Eine kühne Idee, die dem Leser einen roten Faden vorgibt, dessen Enden die bisher nicht direkt nachgewiesene dunkle Materie in der Tat mit den Dinosauriern verknüpfen.
Gegliedert ist das knapp 400 Seiten dicke Buch Dunkle Materie und Dinosaurier in drei große Teile: „Die Entwicklung des Universums“, „Das aktive Sonnensystem“ und „Die Identität der dunklen Materie wird enträtselt“. Als Expertin für Teilchenphysik, Stringtheorie und Kosmologie weiß Lisa Randall, wovon sie spricht. Sie nimmt den Leser zunächst einmal an die Hand und klärt grundsätzliche Begriffe: Was ist dunkle Materie? Ist dunkle Energie etwas anderes? Haben schwarze Löcher auch etwas damit zu tun? Sie fährt fort mit einem Abriss zur Entstehung des Universums, erläutert im zweiten Teil Ursprünge und Kategorisierung diverser Himmelskörper und landet schließlich beim Aussterben der Dinosaurier durch den Einschlag selbiger. Schritt für Schritt führt sie einen durch die stattliche Menge an Informationen, Daten und Annahmen, bis sie im dritten Teil wieder die dunkle Materie selbst in den Mittelpunkt rückt. In der Schilderung ihrer Theorie laufen auf den letzten 30 bis 40 Seiten schließlich alle losen Enden zusammen.
Immer wieder nimmt Lisa Randall Bezug auf aktuelle Forschungen und Experimente, um ihren Standpunkt zu erhärten oder bestimmte Ideen auszuschließen. Einerseits erhält man so einen ausführlichen Überblick, doch genau das ist andererseits einer meiner größten Kritikpunkte. Die Autorin schweift meiner Meinung nach zu häufig ab. In ihrem Bestreben um Vollständigkeit schubst sie einen immer wieder in Nebenstraßen oder sogar Sackgassen, die irgendwie nur am Rande mit ihrer eigenen These zu tun haben. Da dieses Sachbuch ohnehin nicht gerade leichte Lektüre ist, ließen mich derartige Ablenkungen häufig leicht ratlos zurück. Meist konnte ich nicht mehr erkennen, was sie mit dem ursprünglichen Thema zu tun hatten. Viele Erläuterungen waren mir außerdem zu abstrakt und letztlich unverständlich. An wissenschaftlicher Akuratesse mangelt es wahrhaftig nicht, dafür erschlägt die Masse an Details einen förmlich.
Spannend fand ich hingegen die recht vollständige Schilderung des Werdegangs des verrückt anmutenden Gedankenkonstrukts hin zu einer akzeptierten Theorie. Dieser Blick in den Mikrokosmos wissenschaftlichen Arbeitens hatte durchaus etwas für sich. Trotzdem ermüdete mich die oft pedantische Darlegung von Vorgängen oder Kategorisierungen stellenweise. Übrigens habe ich beim Lesen wieder einmal schmerzlich ein Glossar vermisst – das Register im Anhang war mir zu umständlich, wenn ich nach einer prägnanten Begriffserklärung suchte.
Weiterhin mochte ich den Tonfall des Sachbuches gelegentlich nicht besonders. Lisa Randall erklärt zwar, schafft es jedoch nicht so recht, eine Geschichte zu erzählen – was ursprünglich eines ihrer Ziele für das Buch gewesen ist. Hier und da versucht sie die trockenen, theoretischen Passagen durch persönliche Anekdoten oder (Insider-)Witze aufzulockern. Allerdings wirkte das auf mich häufig etwas bemüht oder sogar von oben herab. Ihre Einstellung zu wissenschaftlicher Zusammenarbeit und zu ihren Kollegen ließ sie hingegen wieder sehr sympathisch, tolerant und vielseitig interessiert erscheinen.
All das klingt vielleicht nach reichlich Meckerei, denn obwohl mich das Thema interessiert, musste ich mich regelrecht durch dieses Buch kämpfen. Fand ich es deswegen schlecht? Nein. Habe ich etwas gelernt? Ja. Die Unterscheidung zwischen Meteor, Meteoroid und Meteorit sitzt beispielsweise. Doch wie ich bereits bei Denken – Wie das Gehirn Bewusstsein schafft und Außergewöhnlich normal feststellen musste, spielt die Erwartungshaltung an ein Sachbuch eine wichtige Rolle. All jene, die lediglich locker-flockig aufgemachte populärwissenschaftliche Unterhaltung suchen, werden bitter enttäuscht sein, denn dazu ist Dunkle Materie und Dinosaurier zu theoretisch und verlangt große Vorstellungskraft sowie Vorkenntnisse. Doch wer sich schon länger so richtig ernsthaft gefragt hat, womit sich Dr. Sheldon Cooper in The Big Bang Theory in seinem neuen Fachgebiet der Dunkle-Materie-Forschung beschäftigt, findet hier einen Rundumschlag an Antworten. Und zugegeben: klappt man das Buch am Ende zu, fühlt man sich schon irgendwie ein bisschen schlauer.
Autorin: Lisa Randall
Buchtitel: Dunkle Materie und Dinosaurier – Die erstaunlichen Zusammenhänge des Universums
Übersetzung: aus dem amerikanischen Englisch von Sebastian Vogel
Dankeschön: an den S. Fischer Verlag für das Leseexemplar
Das möchte ich auch noch unbedingt von ihr lesen. Tolle Frau. Habe „Knockin‘ on Heavens Door“ von ihr hier liegen, das werde ich mir sehr bald mal vornehmen 🙂
Über den Titel habe ich auch schon verschiedentlich Gutes gehört. Hier hatte ich eben vor allem stilistisch meine Probleme, aber fachlich kann man da echt nix sagen. Es fehlte mir eben die Leichtigkeit von Hawking. So war das schon ein hartes Stück Arbeit. 😉
Das ist eine sehr treffende Beschreibung des Buches! Mir ging es ähnlich wie dir, liebe Katrin. Ich war teils erschlagen von Informationen, die nicht immer zum Ziel „Dunkle Materie“ führten. Mich hat auch genervt, dass es Randall nur um eine spezielle Form der Dunklen Materie geht und das alles erst am Ende aufgelöst wird. Trotzdem, mit viel Konzentration erfährt man auch viel Neues.
Bei ihrem Buch „Die Vermessung des Universums“ (Knocking on heaven´s door) fiel es mir leichter zu folgen, obwohl sie auch darin vieles recht umständlich erklärt.
Ok. Dann könnte sich ja aber für mich ein Blick in dieses Buch direkt noch mal lohnen.