
© Foto: Ilke, 2017
Psychologische Themen sind ja voll mein Ding. So erstaunt es nicht, dass ich nach Schauen des Films Die dunkle Seite des Mondes ganz begeistert war und natürlich die Buchvorlage lesen wollte. Zunächst wanderte das Buch auf meinen SUB und wartete … bis ich es schließlich zur Hand nahm und verschlang.
Urs Blank hat scheinbar alles, was man sich wünschen kann: einen angesehenen Beruf, eine attraktive und intelligente Freundin, ein luxuriöses Heim, keine Geldsorgen. Dennoch ist er mit seinem Leben unzufrieden und verfällt in eine Midlife-Crisis. Als er bei einem Spaziergang einen kleinen Flohmarkt entdeckt und darin den Stand der Krimskrams- und Räucherwarenverkäuferin Lucille, ist er sofort fasziniert von ihr. Eine Frau, deren Stil und Lebensweise so ganz anders als seines ist. Es kommt wie es kommen muss: er beginnt eine Affäre mit Lucille. Um ganz in die neue Welt eintauchen zu können, beschließt Urs seine Geliebte bei einem meditativen Wochenende zu begleiten, einem geführten Ritual, welches in der Einnahme von halluzinogenen Pilzen mündet. Doch dieser Trip strellt das Leben von Urs stärker und nachhaltiger auf den Kopf, als er es je für möglich gehalten hätte.
Bereits als Kind hatte er gelernt, seine Gefühle im Zaum zu halten und auf seine Wortwahl zu achten. Als Staranwalt für Wirtschaftsrecht, spezialisiert auf Unternehmensfusionen, ist er auf diese Eigenschaften angewiesen. Zu seinem Leidwesen – oder eher zum Leidwesen der anderen – erlangt er während des Trips die Erkenntnis, dass nur er wirklich zählt und nur seine Existenz sicher ist. Als wäre sein Gewissen ausgeschaltet worden beginnt Urs, keine Rücksicht auf andere zu nehmen oder an die Konsequenzen seiner Taten zu denken. Selbst vor Straftaten schreckt er nicht mehr zurück.
Als erstes ist mir der besondere Schreibstil aufgefallen: prägnant, bildlich und nüchtern lässt der Autor nicht nur in das Leben von Urs, sondern auch von verschiedenen Nebencharakteren blicken. So erhält man einen Rundumblick und kann das Geschehen besser einordnen. Auch die unterschiedlichen Sichtweisen von Urs Verhalten während seines Trips fand ich sehr interessant. Die Geschichte ist spannend erzählt , einzig die langsamen Passagen im Wald drosseln das Tempo. Mir haben sie dennoch gut gefallen. Der Protagonist ist zu Beginn äußerlich ausgeglichen und freundlich, doch hinter der Fassade gereizt und aggressiv. Die Drogenerfahrung kehrt sein Inneres nach außen und die Aggressivität bricht durch. Wirklich sympathisch ist keine Person im Roman, doch das stört nicht, sondern macht im Gegenteil sogar die Atmosphäre aus.
Die dunkle Seite des Mondes ist ein Teil der „Neurologischen Trilogie“, deren Hauptthema die schleichende Veränderung einer Persönlichkeit darstellt. Die anderen beiden Teile – Small World, den Karo bereits rezensierte, und Ein perfekter Freund – werde ich mir sicher auch bald zu Gemüte führen.
Autor: Martin Suter
Buchtitel: Die dunkle Seite des Mondes
Verlag: Diogenes
Hallo 🙂
Wir haben das Buch zusammen in der Schule gelesen und ich fand es richtig gut! Dass es zwei weitere Teile gibt, wusste ich gar nicht :O Muss ich mir auch mal zulegen 🙂 In diesem Sinne, Danke für deinen Beitrag! Grüße!
Einen zweiten Teil gibt es nicht. Bei der Neurologischen Trilogie handelt es sich um drei voneinander unabhängige Einzelbände, die nur grob thematisch zusammenpassen: schleichende Änderung einer Persönlichkeit.
Ich wünschte, wir hätten solche Bücher im Unterricht gelesen.
Danke für die Rezension. Dunkle Seite ist mein zweitliebster Suter nach Montecristo …