Back to Nature

© Foto: Karoline, 2018

Nachdem ich mit dem Scharlachroten Buchstaben den Reigen rund um die New England-Klassiker eröffnet hatte, war mein Wissensdurst geweckt. Zielstrebig griff ich zum nächsten Titel, in diesem Fall zum Meilenstein des alternativen Lebens: Walden – Ein Leben mit der Natur von Henry David Thoreau. Viel gehört hatte ich noch nicht von dem Buch, daher ging ich recht unbedarft an seinen Bericht heran.

Im Jahr 1845 wendet sich der Schriftsteller Henry David Thoreau von der kultivierten Gesellschaft ab und der Natur zu. In einem Selbstexperiment versucht er mehrere Jahre möglichst allein am See Walden zu leben. Er baut seine Hütte selbst, er pflanzt und erntet seine Lebensmittel zu einem Großteil eigenständig und zeigt dem Leser mit kleinen Statistiken, dass es möglich ist, mit Bescheidenheit und Genügsamtkeit ein erfülltes Leben zu führen.

Walden ist nichts geringeres als ein Anprangern des Besitzes. Dabei bezieht sich Thoreau auf vielerlei Anhängsel. Ob es nun das eigene Haus ist, auf das jeder hinarbeitet, Schulden anhäuft, um dann doch nur in den eigenen vier Wänden gefangen zu sein (besonders bei schlechter Nachbarschaft) oder die eigene Kleidung. Erst das ständige und lange Tragen eines Kleidungsstücks macht es zu einer zweiten Haut für uns. Was tut da schon ein Flicken zur Sache? Um unseren Status zu demonstrieren, kleiden wir uns trotzdem ständig neu ein und verschwenden Ressourcen, denn Kleider machen bekanntlich Leute. Statt uns mit materiellen Dingen zu umgeben, sollten wir lieber an uns selbst arbeiten: an unserem Charakter, der Motivation, dem Verhalten. Da kann ich dem Verfasser nur zustimmen.

Müssen wir es denn immer darauf anlegen, mehr zu besitzen? Können wir nicht einmal mit weniger zufrieden sein?

Henry David Thoreau, Walden, S. 42

Ein bisschen nervte mich das Selbstbewusstsein Thoreaus, der doch sehr von sich und seinem Plan eingenommen war. Er bemitleidet die Einwanderer, die ihre Heimat mit nur einem Bündel auf dem Rücken verließen. Doch nicht weil sie aus ihrer Heimat fliehen mussten, sondern weil ihre Bündel seiner Meinung nach noch viel zu groß waren, anstatt einfach frei und ohne Ballast in ein neues Leben zu ziehen. Über so viel Selbstbeweihräucherung konnte ich streckenweise nur wild mit den Augen rollen.

Die Sprache von Walden ist recht schwierig. Einerseits mag dies an den 164 Jahren liegen, die seit seiner Veröffentlichung vergangen sind. Obwohl ich auch gerne Klassiker durchschmökere, bekam ich hier einfach keinen Lesefluss zustande. Andererseits wäre die philosophische Thematik auch mit zeitgenössischer Sprache nicht so leicht zu verdauen gewesen. Teilweise fühlte ich mich bei Thoreaus Lebensanschauung an den antiken Philosophen Diogenes von Sinope erinnert, der ebenfalls ein Leben der Enthaltung predigte und selbst in einer Tonne hauste.

Ich muss gestehen, dass ich zu diesem Zeitpunkt erst knapp die Hälfte des Weltverbesserer-Buches geschafft habe. Die philosophischen Ergüsse lassen sich tatsächlich nur in geringen Dosen ertragen, diese aber regen durchaus zum Denken und Hinterfragen der eigenen Lebensweise an. Ich kann Walden – Ein Leben mit der Natur demnach allen interessierten Hobbyphilosophen und Naturfreunden wärmstens ans Herz legen. Alle anderen werden richtig ledriges Sitz(lese)fleisch brauchen.

Karoline

Autor: Henry David Thoreau
Buchtitel: Walden – Ein Leben mit der Natur

Übersetzung: Deutsch von Erika Ziha, ergänzt und überarbeitet von Sophie Zeitz
Verlag: dtv

2 Gedanken zu “Back to Nature

  1. belmonte schreibt:

    Danke für den Blogpost. Versuch, das Buch zuende zu lesen. Es kommen noch so tolle Stellen.

    Ich war vor dreieinhalb Jahren am Walden Pond, komplett zugefroren, und das Eis hat tatsächlich gestöhnt. Und selbst die Bahnlinie gibt es noch, und Diesellok-Züge tröten vorbei.

    • Karoline schreibt:

      Mal schauen, ob ich meine Begleiter animieren kann, mit mir zum Walden Pond zu gehen. Im Reiseführer sprang er mir ja schon entgegen 🙂 da weiß ich jetzt wenigstens, dass es sich wirklich lohnt, danke dir!
      Und na klar bleib ich dran, so schnell geb ich mich da nicht geschlagen!

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