
© Foto: Ilke, 2019
Auf meiner Liste ungelesener Moers’scher Literatur stand Der Schrecksenmeister ganz oben. Viel gutes habe ich darüber gehört und es war an der Zeit, einen der gefühlt besten Romane des Autors zu schmökern. Ein flauschiger Vierbeiner, jede Menge Köstlichkeiten und zauberhafte Unterhaltung wurde mir versprochen – das klingt doch hervorragend.
Wir befinden uns zunächst in Sledwaya, der kränkesten Stadt von ganz Zamonien. Die Bewohner leiden nicht nur unter ihren Krankheiten, Wehwehchen und Unzufriedenheiten, sondern auch unter dem Schrecksenmeister der Stadt, Succubius Eißpin. Die meisten fürchten ihn nur von der Ferne, doch das kleine Krätzchen Echo, das im Gegensatz zu Katzen alle Sprachen der Welt beherrscht, gerät durch ein Unglück in die Fänge von Eißpin. Echo hatte vor kurzem seine Besitzerin verloren und steht kurz vor dem Hungertod, als sich die Beiden begegnen. Eißpin schlägt einen Vertrag vor, den Echo vor Verzweiflung annimmt: der Schrecksenmeister verpflichtet sich, das Krätzchen bis zum nächsten Schrecksenmond rundum zu versorgen, mit Nahrung, Obdach, Unterhaltung. Im Gegenzug darf er ihm nach Ablauf der Zeit das Fell über die Ohren ziehen und sein Fett auskochen.
Und so beginnt eine Freindschaft, die ihresgleichen sucht. Eißpin ist ein meisterlicher Koch und außergewöhnlicher Unterhaltungskünstler. Er kredenzt Echo die fabelhaftesten, wohlschmeckensten und exotischsten Speisen, lehrt ihn alle Geheimnisse der Alchemie und vertreibt die Langeweile mit spektakulären Showeinlagen. Im Schloss des Schrecksenmeisters, das hoch über Sledwaya thront, gibt es immer wieder etwas zu entdecken, natürlich auch viele schaurige Dinge. Zum Glück ist Echo nicht vollkommen allein, schon bald schließt er Freundschaft mit dem Schuhu Fjodor F. Fjodor und dem gekochten Gespenst, das Eißpin eines Tages aus Jux herstellt. Echo ist begeistert von seinem neuen Leben und gleichzeitig voll Sorge über seine Zukunft, denn der letzte Tag rückt näher und näher.
Ich kann voll und ganz verstehen, warum so mancher diesen Roman als sein Lieblingswerk von Moers auserkoren hat. Er ist geistreich, fantasievoll, kurzweilig und so voller kulinarischer Köstlichkeiten, dass man beim Lesen ständig Hunger bekommt. Doch nicht nur die zahlreichen Speisen und Leckereien werden ausgiebig beschrieben, auch das wundersame Schloss und die Stadt Sledwaya kommen nicht zu kurz. An manchen Stellen überflog ich nur noch, weil die Aufzählung verschiedener Dinge dann doch überhandnahm. Und dabei hat sich der Autor dabei schon zusammengerissen, wie man im Nachwort erfährt. Das Zusammenspiel von Eißpin und Echo ist sehr gut gelungen. Beiden ist ihre Abhängigkeit voneinander, aber auch die gegenseitige Intelligenz bewusst, wobei Eißpin natürlich in der stärkeren Position ist; dennoch ist das besondere Wohlergehen von dem Krätzchen für sein Ziel äußerst wichtig und er muss sich dafür ins Zeug legen. Die Wortspiele und den Ideenreichtum des Autors finde ich wie immer sensationell. Wer will nicht von einem Milchsee auf dem Dach der Dächer kosten, als Ledermaus seine einstigen Verfolger jagen oder Erkenntnisse vom Baum der Erkenntnuss erhalten?
Mir hat das Lesen viel Vergnügen bereitet und das Ende hat mich sogar überrascht. Der Schrecksenmeister wurde nun auch zu einem meiner Lieblingsbücher.
Autor: Walter Moers
Buchtitel: Der Schrecksenmeister
Verlag: Piper