Die Tage werden kürzer und kälter: der perfekte Zeitpunkt für einen winterlichen Western. Davon gibt es wahrlich nicht viele. Und solche, die eine Frau als Protagonistin haben, schon gar nicht. Wie hätte ich da also nein sagen können?
Wir befinden uns zu Beginn des Jahres 1888: Seit über zwei Monaten wartet Deborah vergeblich auf die Rückkehr ihres Mannes Samuel. Der ist Stellmacher und reist durch die Gegend, um Räder zu reparieren. Anfang Dezember wollte er zurück sein, doch bis jetzt fehlt jede Spur von ihm. Als es eines Abends unheilvoll an ihre Tür klopft, weiß Deborah, dass dort draußen Ärger wartet. Denn Samuel und Deborah sind Schleuser. Sie bieten von der Regierung verfolgten Mormonen Unterschlupf und bringen sie an sichere Orte. Doch diesmal hat der Fremde vor der Tür noch weit mehr Unannehmlichkeiten im Gepäck. Gemeinsam mit ihrem benachbarten Schwager Nels hilft Deborah dem Getriebenen und bringt sich und ihre Familie dabei selbst in Lebensgefahr.
Unter Heiligen vereint auf sehr gekonnte Weise Spannung mit Wissensvermittlung. Zwar wusste ich, dass es die christliche Glaubensrichtung der Mormonen gibt, doch war mir nicht bekannt, dass sie einst verfolgt und vertrieben wurden. Besonders die praktizierte Vielehe war den Andersgläubigen ein Dorn im Auge. Ein Mann, der mehrere Frauen und Familien haben darf? Das passte den anderen Christen nicht. Dabei ergreift die Autorin Ann Weisgarber keinesfalls nur Partei für die Mormonen, sondern zeigt anschaulich, wie sich die Situation der unterschiedlichen Glaubensrichtungen so hochschaukeln konnte.
Durch eine wechselnde Ich-Perspektive wissen wir nicht nur von Deborahs intimsten Gedanken und Ängsten, sondern erfahren auch was ihren Schwager Nels umtreibt. Allein das Abwägen, Hadern und Verhandeln mit sich selbst und Gott nimmt viel Raum in diesem Western ein und lässt auch den Leser sich selbst hinterfragen: Wie würde ich handeln? Würde ich helfen und mich selbst in Gefahr bringen? Würde ich wegsehen und mit der Bürde leben können? Für mich ist Unter Heiligen ein rundum gelungenes Buch zum Thema Zivilcourage und Nächstenliebe, eingebettet in die Gesetzlosigkeit des Wilden Westens. Eindeutig lesenswert!
Autorin: Ann Weisgarber
Buchtitel: Unter Heiligen
Übersetzung: aus dem amerikanischen Englisch von Kathrin Razum
Verlag: Nagel & Kimche