Wenn bloß die Liebe so einfach wäre …

© Foto: Karoline, 2020

Ein neues Jahr, ein neues Land. Unser Weltenbummler-Monat führt uns gleich zu Beginn nach Irland. Dieses Mal habe ich mir gezielt einen Gegenwartsroman von Sally Rooney ausgesucht: Gespräche mit Freunden. Obwohl ich mit dem Genre häufiger hadere, wollte ich mal wieder einen Versuch starten. Immerhin klang der Klappentext irgendwie kinky und das gefiel mir natürlich. Also auf in irische Gefilde, ihr Lieben. Ich bin gespannt, was uns alles erwartet.

Die kühl-rationale Frances und die exzentrische Bobbi kennen sich seit Teenager-Zeiten. Vor Jahren waren sie ein Paar und sind mittlerweile beste Freunde, die nicht ohne einander können und versuchen, in Dublin ihr jeweiliges Studium zu absolvieren. Nebenbei schreibt Frances Texte, die beide gemeinsam auf Kleinkunstbühnen und Spoken-Word-Events vortragen. Als sie auf einer dieser Veranstaltungen die Fotojournalistin Melissa kennen lernen, ist diese äußerst fasziniert von den zwei jungen Frauen. Während des Interviews lernen sie auch Melissas Ehemann Nick kennen. Zwar hält sich dieser merklich im Hintergrund, doch weckt er durch seine ruhige Art Frances‘ Interesse. Bobbi hingegen ist äußerst angetan von der intellektuellen und sarkastischen Melissa. Nach und nach entsteht zwischen den vieren eine spannungsreiche Freundschaft, die nicht nur tiefe Sympathien, sondern auch Abneigungen zutage fördert. Als Frances sich immer mehr für Nick zu interessieren beginnt, stellt das ihre Freundschaft mit Bobbi auf eine harte Probe.

Ich muss zugeben, dass meine Erwartungshaltung an den Roman nicht so ganz erfüllt wurde. Inhaltlich ist er intellektueller ausgefallen, als ich dachte und daher musste ich mich erst einmal richtig hineinlesen. Ab einem gewissen Punkt hat das auch die meiste Zeit Spaß gemacht, denn die wechselnden Beziehungungen zueinander und wie sie sich entwickeln, sind wirklich interessant – und alles andere als stereotyp. Wunderbar herausgearbeitet wird, wie viele verschiedene Formen von Freundschaft und Liebe es doch gibt. Alle vier Protagonisten sind Persönlichkeiten mit Ecken und Kanten, mit Verletzungen, mit Eigenheiten, die unversehens zum Vorschein kommen. Das hat mich letztendlich gefesselt, da ich unbedingt wissen wollte, wie die vier am Ende zueinander stehen.

Arg gewöhnungsbedürftig fand ich, dass die wörtliche Rede durchgängig ohne Anführungszeichen auskam. Die sonstige Typografie war jedoch dank gezielter Absätze gut genug, um mich das irgendwann fast vergessen zu lassen. Trotzdem kam für mich gerade im ersten Drittel kein vernünftiger Lesefluss zustande, da ich häufig erst mitten im Satz merkte, dass gerade jemand etwas gesagt hat. Dadurch gingen mir in den Dialogen Dynamik und Lebendigkeit verloren. Häufig „hörte“ ich die Charaktere einfach nicht in meinem Kopf, wodurch sie stets etwas farblos blieben. Halten wir also fest: fehlende Anführungszeichen sind meiner Meinung nach eher kontraproduktiv. Schwerer wog für mich jedoch, dass ich einfach nicht mit Frances warm wurde. Als Ich-Erzählerin schildert sie die Geschehnisse aus ihrer Perspektive, teilt ihre Gedanken und Motivationen mit. Leider konnte ich nur wenig damit anfangen, da sie als Person derart distanziert rüber kommt, mit zu wenig Eigenliebe ausgestattet, dass ich sie nicht mögen konnte.

Daher hat mich Gespräche mit Freunden auch nicht wirklich begeistern und mitreißen können. Ohnehin sorgt der ruhige Grundton des Romans nicht für atemlose Spannung, denn der Titel ist Programm. Die meiste Zeit tauschen sich die Figuren miteinander aus. Es geht um Gesellschaft und Intimität, Familie und Kunst, um Liebe, Freundschaft und natürlich Sex. Das ist psychologisch sicherlich interessant, doch sollte man meiner Ansicht nach einen Faible dafür haben, wie Menschen ticken. Die Autorin Sally Rooney scheint eine scharfsinnige und differenzierte Beobachterin zu sein. Dennoch reizte mich ihr Debütroman nicht besonders, da mir der Zugang zur Hauptfigur fehlte. Allerdings kann ich mir sehr gut vorstellen, dass manche Leser das völlig anders sehen. Fühlt euch also eingeladen, selbst zu entscheiden, wie und warum euch der Roman gefällt. Ich bin gespannt auf eure Meinung.

Katrin

Autorin: Sally Rooney
Buchtitel: Gespräche mit Freunden
Übersetzung: aus dem Englischen von Zoë Beck
Verlage: Luchterhand

Ein Gedanke zu “Wenn bloß die Liebe so einfach wäre …

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..