
© Foto: Karoline, 2020
Seht euch dieses wunderschöne Cover an. Wie hätte ich bitte NICHT voller Bewunderung stehen bleiben können? Es schrie mich förmlich an, es in die Hand zu nehmen und zu kaufen. Doch wie so oft regte sich auch eine skeptische Stimme in mir: Wenn das Cover gut aussieht, ist der Inhalt bestimmt Müll. Du hast dich schon so oft blenden lassen. Diesmal sollte ich (zum Glück) eines Besseres belehrt werden. Also Vorhang auf für diese wunderbar schaurige Geistergeschichte!
London im Jahr 1914: Clara Waterfield führt ein Leben der Entbehrung. Sie ist gefangen im pompösen Haus ihrer Eltern. Vom Fenster aus verfolgt sie das wahre Leben, ohne selbst ein Bestandteil zu sein, denn Clara hat die Glasknochenkrankheit. Zu hartes Brot lässt ihre Zähne splittern, jeder noch so kleine Stoß kann blaue Flecken und Knochenbrüche verursachen. Seit ihrem großen Sturz bewegt sie sich humpelnd, wie ein Schiff auf hoher See. Doch nun ist sie erwachsen, ihr Skelett gefestigter und ihre geliebte Mutter tot. Sie darf endlich das Haus verlassen und flieht in ihrer Trauer oft ins Kew Gardens. Unter der Glaskuppel des Tropenhauses lernt sie den Gärtner Forbes kennen. Er weiht sie in die Geheimnisse der Botanik ein. Als der neue Besitzer des Gutes Shadowbrook Mister Forbes um Hilfe bei der Gestaltung seines neuen Gewächshauses bittet, sendet der Gärtner kurzerhand seine eifrige Schülerin in die Cotswolds, um sich dem Abenteuer ihres Lebens zu stellen. Dort angekommen muss Clara jedoch feststellen, dass sich mysteriöse Geschichten um Shadowbrook ranken. So wird ihr Aufenthalt zur Glaubensfrage: Gibt es Geister wirklich? Oder kann die rationale Clara das Geheimnis um die mysteriösen Vorbesitzer aufklären?
Ich weiß gar nicht, was ich als erstes bei diesem Roman loben soll:
1. Susan Fletcher hat mit Clara Waterfield eine unglaublich ausdrucksstarke Protagonistin erschaffen, die nicht nur ihre Umgebung, sondern auch mich immer wieder erstaunen und begeistern konnte. Die gängigen Klischees sucht man hier vergeblich. Gerade durch diese so prägende Krankheit mit all ihren Symptomen ist eine vielschichtige Frauenfigur voller Ecken und Kanten entstanden.
2. Das Setting ist wunderschön. Das einst pompöse, nun recht heruntergekommene Gutshaus mit diesem riesigen Garten, der viel besser als das Gebäude in Schuss gehalten wird. Natürlich dürfen da die Beschreibungen rund um das neue Gewächshaus nicht fehlen. Ich hatte förmlich das Gefühl durch das Blumenmeer zu schlendern und den Duft einzuatmen.
3. Das Geheimnis von Shadowbrook bietet eine Spukgeschichte ganz nach meinem Geschmack: Eine Landadelsfamilie, deren lasterhaftes Leben auch Jahrzehnte nach ihrem Verschwinden noch für Klatsch und Tratsch im Dorf sorgt. Hinter vorgehaltener Hand werden die alten Geschichten aufgewärmt und weitergesponnen, sodass völlig entstellte Schauermärchen entstehen. Um den Spannungsbogen hochzuhalten, wird Dorfeindringling Clara jedoch nur nach und nach in die damaligen Geschehnisse eingeweiht.
Um es kurz zu machen und als kleiner Tipp für alle Unentschlossenen: Greift zu! Mit Das Geheimnis von Shadowbrook werdet ihr definitiv spannungsgeladene Stunden voller Gänsehaut haben. Ich jedenfalls konnte den Roman kaum aus der Hand legen und habe ihn von der ersten bis zur allerletzten Seite genossen. Endlich einmal ein Buch, das nicht nur von außen, sondern auch von innen gleichermaßen überzeugen kann!
Autorin: Susan Fletcher
Buchtitel: Das Geheimnis von Shadowbrook
Übersetzung: Aus dem Englischen von Marieke Heimburger
Verlag: Insel
„Wenn das Cover gut aussieht, ist der Inhalt bestimmt Müll“ – ich musste gerade lachen. Tatsächlich hätte ich das Buch auch eher weiterhin aus der Ferne betrachtet, wenn es mir nicht beim Bücherstammtisch empfohlen worden wäre. Es hat mir richtig gut gefallen.