Die Reize einer Frau waren selten unwiderstehlicher

© Foto: Karoline, 2019

Ich LIEBE Bücher mit Buchreferenzen. Kaum ist eins ausgelesen, da hat man schon einen Tipp für das nächste bekommen. So geschehen bei der Buchreihe rund um die ermittelnde Postbotin Daphne Penrose von Thomas Chatwin. Die leidenschafte Hommage an Cornwall zeigte sich nicht nur in den Landschaftsbeschreibungen, sondern auch in Literaturempfehlungen rund um die Autorin Daphne du Maurier. Schnell hatte ich recherchiert, was die Gute so geschrieben hatte und konnte mich bei all dieser Produktivität kaum entscheiden. Letztendlich ist es die aktuelle Neuübersetzung von Meine Cousine Rachel geworden. Versprochen wurde mir ein mysteriöser Todesfall und eine schwarze Witwe. Ob ich da auf ein Schauermärchen hoffen konnte?

Gutsbesitzer Philipp Ashley rekonstruiert in diesem 415 Seiten dicken Roman die Geschehnisse rund um das plötzliche Ableben seines geliebten Cousins und Ziehvaters Ambrose Ashley. Dieser versucht dem arthritischen Winter Cornwalls zu entkommen und flieht ins feurige Italien. Dort lernt er eine entfernt verwandte Cousine namens Rachel kennen. Nach und nach zieht sie ihn in ihren Bann und aus dem eingefleischten Single Ambrose wird schnell Ehemann Mister Ashley. Philipp ist wie vor den Kopf gestoßen, denn die beiden Männer hatten eigentlich ein einsiedlerisches Leben ohne Weibsvolk für sich geplant. Er beginnt seine Cousine Rachel leidenschaftlich zu hassen, obwohl er bisher kein Wort mit ihr gewechselt hat. Nach und nach erreichen ihn immer kryptischere Briefe seines Cousins. Kann es sein, dass er im Wahn die Zeilen schrieb? Fühlt er sich verfolgt, weil Rachel ihn womöglich tot sehen möchte? Kurze Zeit später stirbt Ambrose und Philipp macht sich auf die Suche nach einer Antwort. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er seiner Cousine Rachel begegnet, doch die ist so völlig anders als er sie sich ausgemalt hat. Sanftmütig, herzlich, bildhübsch – und doch bleibt ein Rest Zweifel bestehen. Ist sie Schuld am Ableben des geliebten Cousins?

Bereits auf den ersten Seiten begann ich mich an Lady Chatterleys Liebhaber zu erinnern. Die Szenerie eines beeinträchtigten Gutsbesitzers, der hier zwar nicht im Rollstuhl sitzt, doch im Umgang mit Frauen generell sehr gehemmt ist, war für mich offensichtlich. Allein die Erotik fehlte. Doch die psychologische Tiefe war ebenso spannend zu lesen. Die Wandlung des wortkargen Philipp, der im Umgang mit Frauen gleichermaßen unbeholfen wie voreingenommen ist, zum liebestollen Mittzwanziger war schleichend und sehr subtil arrangiert, sowohl von der Autorin als auch von der namensgebenden Protagonistin. Der arme unerfahrene Philipp hatte sozusagen keine Chance, sich gegen den weiblichen Charme Rachels zu wehren. Nach und nach übernimmt sie die Kontrolle über das Personal, den Hof und natürlich ihn. Einzig an das Vermögen kommt sie nicht so einfach heran. Das wiederum macht die Geschichte umso spannender, denn Philipp ist zwar Erbe, doch darf er seine Erbschaft erst mit Vollendung des 25. Lebensjahres antreten. Genügend Zeit für Rachel, ihr Netz zu spinnen und ihr Opfer wunderbar einzuwickeln.

Bis zum Ende wälzte ich die Geschehnisse hin und her, analysierte diverse Male und kam doch zu keiner Antwort: Ist Cousine Rachel nun eine berechnende schwarze Witwe, die allein auf das Erbe scharf ist oder ist sie eine einfühlsame wie unglückliche Frau, die einfach nur nicht mit Geld wirtschaften kann? Ich neige zu ersterem, könnte es jedoch nicht stichhaltig und zufriedenstellend beweisen. Genau das macht Meine Cousine Rachel zu einem einprägsamen Roman, auch wenn das Ende dadurch nicht so recht befriedigend sein mag.

Karoline

Autorin: Daphne du Maurier
Buchtitel: Meine Cousine Rachel
Übersetzung: Aus dem Englischen von Brigitte Heinrich und Christel Dormagen
Verlag: Insel Taschenbuch

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