
© Foto: Bettina, 2020
Lieber Vincent Klink,
lasse ich meinen Blick in einer Buchhandlung schweifen, bleibt er unweigerlich bei Büchern hängen, die das genussvolle Lesen mit einer meiner anderen großen Leidenschaften verbinden: Essen. Gibt es auch nur kleine Anzeichen, dass der Inhalt sich mit Lebensmitteln, Kochen, Backen oder Speisen beschäftigen könnte, mache ich mich schnurstracks auf den Weg das Werk genauer unter die Lupe zu nehmen. So geschehen auch in einer wunderschönen Buchhandlung in Innsbruck, als mir dein Buch Ein Bauch lustwandelt durch Wien in die Hände fiel. Ein Titel wie für mich gemacht!
Deinem Thema zugeneigt war ich also in jedem Fall. Dein Name war mir allerdings, so muss ich zu meiner Schande gestehen, kein Begriff. Umso erfreuter war ich dann, als sich beim Lesen herausstellte, dass du selbst Spitzenkoch bist und die Wielandshöhe in Stuttgart betreibst. So habe ich dich in deinen Zeilen einerseits als Kenner der Kulinarik, aber auch als vielseitig interessierten Menschen, ausgesprochenen Genießer und Kulturliebhaber kennengelernt. In locker flockigem Ton nimmst du den Leser mit auf die Partie über die Ringstraße in Wien. Du hast dabei so freundschaftlich geschrieben, dass es sich glatt um Briefe an die daheim gebliebene Familie handeln könnte. Kein Blatt wird vor den Mund genommen, jede Beschreibung ist persönlich. So persönlich, dass gelegentlich Seitenhiebe, subjektive Meinungen oder Erläuterungen eingestreut sind, die jedem sorgfältigen Historiker die Haare zu Berge stehen lassen würden. Ganz klar, dein Text will lieber unterhalten als belehren!
Gerade deswegen lassen sich die Ecken Wiens mit einem Buch wunderbar schwungvoll entdecken. Klar erzählst du von den tollen Wiener Cafes, den Grandhotels und Unterkünften mit Charakter, den besonderen Restaurants und den schrägen Typen, denen sie gehören. Zu den geselligen Abenden bei Wein und gutem Essen würde ich mich gleich dazusetzen und deine Ratschläge zum anständigen Umgang mit Kellnern direkt anwenden. Das Fernweh und der Hunger rufen noch mehr nach mir, wenn du von bekannten Gerichten wie Wiener Schnitzel, Tafelspitz oder Sachertorte erzählst.
Doch deine Spaziergänge beschäftigen sich bei weitem nicht nur mit Speisen. Dies hat mich zunächst sehr irritiert, doch bald gefielen mir auch diese Teile von Ein Bauch lustwandelt durch Wien. Du zeigst die Architektur der Stadt, geleitest den Leser mit Anekdoten vom Zeitalter der Monarchie über die Schrecken des Dritten Reichs bis zu den verschiedenen Phasen der Moderne. In einem Kapitel machst du deutlich, wie wichtig das jüdische Leben und dann wie dramatisch der Eingriff der Nazis in Wien war. In einem anderen präsentierst du mit Elan die Wiener Musik. Als Leser muss man deinen Tangenten folgen wollen. Mir machen die Abschweifungen dagegen nichts aus und dein Wien wurde vor meinen Augen lebendig.
Nachdem ich bei der Lektüre von Ein Bauch lustwandelt durch Wien nun deinem Flanieren gefolgt bin, mir das Wasser im Munde zusammen gelaufen ist und ich eine neue Playlist mit Wiener Liedern angelegt habe, mich deine Fotos im Buch zum Schmunzeln brachten und ich sogar die, für mich todlangweiligen, Rezepte mitgelesen habe, möchte ich nun dringend nach Wien. Aktuell wird das eher schwierig sein, aber ich habe mir sagen lassen, dass du noch weitere Bücher geschrieben hast: Ein Bauch spaziert durch Paris irgendwer?
Autor: Vincent Klink
Buchtitel: Ein Bauch lustwandelt durch Wien
Verlag: Ullstein