
© Foto: Georgia, 2020
Bei einigen, literarisch bereits bereisten Ländern, hatte ich direkt ein Buch im Regal, welches ich euch unbedingt vorstellen musste. War das mal nicht der Fall, gab es grandiose Unterstützung beim Finden von etwas Passendem. Hierbei geht ein großes Lob an meine Inkunabel-Mitstreiterinnen, allen voran Karoline, für das Erstellen von umfangreichen Listen mit möglichen Titeln. So stieß ich auch auf Kommt ein Pferd in die Bar. Eine preisgekrönte Geschichte, die lediglich an einem Abend spielt? Das klang spannend und meine Entscheidung war gefallen.
In der israelischen Küstenstadt Netanja tritt der 57-jährige Stand-up Comedian Dovele G. auf die Bühne eines Abendlokals. Seine Show fängt verhältnismäßig harmlos an: ein bisschen Herumgehampel, Witze mit dem und über das Publikum. Hier und da schleichen sich ernste Themen, Geschichte aus Doveles Leben, verbale und physische Schläge gegen sich selbst ein. Mimik und Gestik schwanken zwischen Lachen, Hohn, Trauer und Zorn. Schließlich packt er seine komplette, dramatische Lebensgeschichte aus: Waisenkind von Shoah-Überlebenden (Bezeichnung für den Holocaust in Israel und im Judentum) im militarisierten Israel. Der Leser taucht ein in die Abgründe von Krieg, Überlebenden und Menschlichkeit.
Die Perspektive des Lesers ist die eines alten Kindheitsfreundes von Dovele, der an diesem Abend auf Einladung des Comedians im Publikum sitzt. Auch er hat zum Leid des Waisenjungen beigetragen. Es wird aufgerollt welche Kindheitserlebnisse beide teilen, was Trauma und Depression aus Doveles Eltern gemacht haben und wir er sie verloren hat. Das alles ist schwer verdaulicher Lesestoff und es fühlt sich erst recht beklemmend an, es in Form einer Stand-up Comedy serviert zu bekommen. Neben Doveles Auftritt, wird auch immer die Publikumsreaktion beschrieben und die Erinnerungen des Kindheitsfreundes eingebunden. Viele Eindrücke für ein Buch mit nur zirka 250 Seiten. Ich fühlte mich danach auf jeden Fall emotional sehr ausgelaugt. Diese einzigartige Form der Erzählung macht Kommt ein Pferd in die Bar dennoch empfehlenswert für jeden, der sich mal auf etwas Neues einlassen möchte. Richtet euch aber auf Mitleid, Fassungslosigkeit und Fremdscham ein.
Und wieder ist neigt sich ein Ländermonat dem Ende zu. Wir begleiteten zunächst eine frisch verheiratete Frau durch drei verwirrende Lebenssituationen. Auch erlebten wir den Beginn einer Freundschaft im Krankenhaus zwischen einem palästinensischen und einem jüdischen Jungen. Dann nahmen uns ein verbitterter Moslem und eine rebellische Jüdin mit auf eine Reise durch ihr hartes Leben. Kurz um, es waren aufreibende Geschichte, die uns nicht immer zufrieden gestellt haben. Seid gespannt, was das nächste Land mit sich bringt.
Autor: David Grossman
Buchtitel: Kommt ein Pferd in die Bar
Übersetzung: aus dem Hebräischen von Anne Birkenhauer
Verlag: Fischer Taschenbuch