Kleine Freuden am Lebensende

© Foto: Kristina, 2021

Was wäre, wenn es Engel gäbe, die nur dafür da sind, die Welt für kurze Zeit ein ganz klein wenig besser zu machen?
Ich bin weder religiös oder esoterisch angehaucht, aber irgendwie haben mich zwei Kurzbeschreibungen des Buches (Hanser Literaturverlage, Lovelybooks) angeteasert: Vier Engel, die Menschen an ihrem Lebensende (von dem diese noch keine Ahnung haben!) und so manchem Angehörigen eine Freude machen wollen und dabei gar nicht so klischee-engelhaft sind.

Karel ist Fahrlehrer. Dass er in wenigen Stunden durch einen Unfall sterben wird, weiß er noch nicht. Er ist 52 und steckt in einer recht freudlosen Ehe fest. Er hatte zwar schon viele Skoda-Modelle, aber noch nie Oralsex. Außerdem gibt es da noch Zdenek, der nach der Trennung von seiner Frau Lída (sie hat ihn verlassen und die Kinder mitgenommen) wieder bei seiner Mutter wohnt und eigentlich nur noch eins im Sinn hat: Selbstmord. Da braucht er sich zum Beispiel nie wieder die Fingernägel schneiden.  Seine engel-gläubige Mutter ahnt nichts.

Die Engel können den Lauf der Dinge nicht ändern, aber noch ein paar Minuten Glück verbreiten. So beobachten sie die letzten Stunden der Menschen und beraten, wie genau sie das kleine Glück bewerkstelligen wollen. Und dann kann es schonmal vorkommen, dass man kurzfristig zum Pizzaboten oder Klischee-Engel umschulen muss…

Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten sein, das Buch ist mit 126 Seiten nicht allzu dick.

Was ich an diesem Buch besonders mochte, waren das Lästern, der Sarkasmus und der trockene Humor der Engel: Sie können nicht überall sein, da kann man schonmal hinterfragen, ob „Gott“ jemals von Logistik gehört hat und überlegen, ob man quasi nichts anderes als ein DHL-Zusteller sei, der einfach nur liefern und nicht hinterfragen soll. Und überhaupt, warum treffen sie sich immer auf Brücken und nicht wie normale Menschen in einer gemütlichen Kneipe, um ihre Erkenntnisse über die Leben der Menschen auszutauschen?
Die vier sind nahezu menschlich und haben nichts mit dem spirituellen Bild zu tun, was mir den Zugang zum Buch von Anfang an leicht gemacht hat. Aber sie haben ja auch keine Flügel, wie engelhaft soll das dann schon sein…

Trotz des eigentlich traurigen Grundthemas ist es ein sehr kurzweiliges Buch, das ich voll und ganz empfehlen kann.

Nun ist unsere Lesereise im Mai schon wieder vorbei. Begonnen hat sie mit den Abenteuern des braven Soldaten Schwejk, der zumindest mit seiner treu-doofen Art Karolines Herz erwärmte, anschließend gewannen wir einen Einblick in das Leben von Autor Honza, der sich auf gedankliche und wirkliche Reisen begibt, und wir begleiteten die beeindruckende Milada Horáková in ihrem Kampf gegen verschiedene Regimes. Beseelt von meiner Lektüre schließe ich hiermit nun also das Kapitel „Ländermonat Tschechien„.

Kristina

Autor: Michal Viewegh
Buchtitel:
Engel des letzten Tages
Übersetzung: Aus dem Tschechischen von Eva Profousová
Verlag: Deuticke

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