
© Foto: Ilke, 2014
Einer der ersten Animefilme, den ich bewusst geschaut habe, ist Die letzten Glühwürmchen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich Animes als irgendwelche Zeichentrickfilme für Kinder wahrgenommen. Umso größer war die Überraschung und vielleicht auch der Schock, einen so starken Antikriegsfilm zu sehen, der einerseits traurig und brutal, andererseits wunderschön ist. Diesem Film ist es geschuldet, dass ich mich danach mehr mit japanischer Kultur und Animes beschäftigt habe.
Gleich zu Beginn des Films wird klar, dass auf kein Happy End gehofft werden kann. Der 14-jährige Seita beginnt die Story mit den Worten „In der Nacht zum 21. September 1945 bin ich gestorben.“ Man sieht den Geist Seitas in seiner Uniform und den tatsächlichen, ausgemergelten Körper des Jungen in einer Halle liegen. Passanten gehen an ihm vorbei, rümpfen die Nase und behandeln ihn wie jedes andere Kriegsopfer. Der Tod ist normal zu diesen Zeiten und jeder hat genug mit sich selbst zu tun. Schon kommen die Fledderer und nehmen dem Körper ab, was man selbst brauchen kann. Das einzige, was Seita mit sich trägt, ist eine zerbeulte Bonbondose, die der Mann im Anschluss wegwirft. Die emotionale Bedeutung der Dose wird im Laufe des Filmes sichtbar.
Die eigentliche Handlung besteht aus mehreren Rückblenden. Während eines Bombenalarms fliehen Seita und seine vierjährige Schwester Setsuko aus ihrem Haus in einen Bunker. Der Vater befindet sich auf einem Marinekriegsschiff und ist nicht zu erreichen; die Mutter verlieren sie auf dem Weg zum Bunker aus den Augen. Wenig später findet Seita sie in einem Lazarett wieder, tödlich verwundet. Ihr Zuhause wurde durch den Angriff vollkommen zerstört. Eine Zeit lang kommen die Kinder bei ihrer Tante unter, welche nach und nach immer genervter und überforderter mit der Situation wird. Die Nahrungsmittelrationen werden immer knapper, Ware zum Tausch ist kaum noch vorhanden. Als für Seita die Situation unerträglich wird, zieht er mit seiner Schwester in einen Unterstand am See. Von nun an müssen beide allein klar kommen und gegen Hunger und Angst ankämpfen.
Dem Anime gelingt eine Gratwanderung zwischen den Schrecken des Krieges und kleinen, zauberhaften Momenten. Es werden schonungslos Bilder von abgeworfenen Brandbomben, Verletzten und Toten gezeigt. Die Panik und Verzweiflung der Menschen ist greifbar. Im starken Kontrast dazu gibt es viele Momente der Ruhe und des Glücks. So gehen beide unbeschwert an den Strand und albern herum. Doch im nächsten Augenblick ertönt der nächste Bombenalarm und sie müssen fliehen. Die musikalische Untermalung passt hervorragend zu der jeweiligen, gezeigten Situation. Sie ist oft leise, manchmal dramatisch, und immer traurig schön.
Auch hat mich die Bandbreite an Gefühlen berührt, die mit dem Anime transportiert werden. Die einzelnen Charaktere sind hilfsbereit, obwohl sie kaum selbst etwas haben. Sie sind hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und Hoffnung, zwischen Apathie und Tatkraft. Seita tut alles mögliche, um für sich selbst und seine Schwester Normalität zu bewahren. Er, selbst noch ein Kind, muss plötzlich erwachsen sein und für seine Schwester sorgen. Seine eigene Angst und Verzweiflung kann er kaum zulassen, er muss stark sein. Gleichzeitig hilft ihm Setsuko über diese Zeit hinweg. Sie ist zu klein für Sorgen und erfreut sich noch an kleinen Dingen. Besonders fasziniert ist Setsuko von den vielen Glühwürmchen, die nachts am See herumschwirren. Diese werden zum Hoffnungssymbol der beiden Kinder. In all dem Schrecken findet sich trotzdem noch etwas Schönes. Weiterer Lichtblick für Setsuko ist die Bonbondose. Immer, wenn sie traurig ist, bekommt sie zum Trost ein Bonbon. Selbst als sie zur Neige gehen, ist die Bonbondose der wichtigste Schatz des Mädchens.
Die letzten Glühwürmchen ist eine Adaption des Romans Hotaru no haka (Das Grab der Leuchtkäfer) von Akiyuki Nosaka. Leider ist das Buch bzw. die deutsche Übersetzung momentan vergriffen. Das Produktionsstudio Ghibli hat weiterhin Animeklassiker wie Chihiros Reise ins Zauberland und Mein Nachbar Totoro hervorgebracht.
Regisseur: Isao Takahata
Filmtitel: Die letzten Glühwürmchen
Erscheinungsjahr: 1988
Den Film habe ich vor ein paar Jahren zusammen mit meinen großen Kindern geschaut. Er ist so traurig.
Es gibt auch einen sehr eindrücklichen deutschen Anime, der sich mit den Thema Atomangriff beschäftigt und mich als Kind schwer beeindruckt hat: „Wenn der Wind weht“. Sehr sehenswert.
Ja, er ist so traurig. Beim sehen vor ein paar Tagen liefen mir wieder die Tränen.
„Wenn der Wind weht“ kenne ich nicht, werde mir den Film aber demnächst mal ansehen. Danke für den Tipp.
Mir ist noch einer eingefallen. Harte Kost, auch ein japanischer Anime:
http://de.m.wikipedia.org/wiki/Barfu%C3%9F_durch_Hiroshima
Den habe ich vor ein paar Jahren auf youtube gefunden in mehreren Teilen. Von wegen Animes sind Kinderkram. Diese Filme zeigen, dass das ganz und gar nicht der Fall ist.
Taschentücher bereithalten!
Den Film will ich schon lange sehen. Aber irgendwie trau ich mich noch nicht, eben weil es sehr harte Kost sein soll.